Stereotype in juristischen Ausbildungsfällen Eine hamburgische Studie
Abstract
2014 sorgte Daniela Schweigler mit einem Beitrag in der Deutschen Richterzeitung für Aufsehen, in dem sie das Frauenbild in der bayerischen Justizausbildung, u.a. bei der Gestaltung der Ausbildungsmaterialien, kritisierte.Neben der Unterrepräsentanz von Frauen in den Ausbildungsfällen bemängelte sie deren Darstellung in untergeordneten Positionen sowie ihre Reduzierung auf die Rollen als Mütter, Hausfrauen, Ehefrauen, Verlobte und Geliebte.
Trotz der medialen Aufmerksamkeit, die der Beitrag Schweiglers erhielt, blieben weitergehende Diskussionen in der Rechtswissenschaft, insbesondere an den juristischen Fakultäten, aus. Dabei stellen sich im Zusammenhang mit der Gender- und Diversity-Dimension der juristischen Fallgestaltung spannende Fragen: Was macht in diesem Kontext einen guten juristischen Ausbildungsfall aus? Wie sieht die Praxis an den Hochschulen aus? Welche Stereotype werden in juristischen Ausbildungsfällen bedient? Welche Möglichkeiten gender- und diversitätssensibler Fallgestaltung sind denkbar?
Die hier vorgestellten Ergebnisse gehen aus einer Untersuchung von 87 Examensübungsklausuren hervor, die zwischen dem 1. September 2014 und dem 31. August 2015 im Examensübungsklausurenkurs der Bucerius Law School und im Hamburger Examenskurs der Universität Hamburg geschrieben wurden. Die Untersuchung ist zentraler Bestandteil des Forschungsprojekts „(Geschlechter)Rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen“, welches sich darüber hinaus mit Möglichkeiten der Umsetzung einer gender- und diversitätssensiblen rechtswissenschaftlichen Lehre in der Praxis beschäftigt. Ausgehend von Funktionen und Potentialen des Lernens am juristischen Fall und der Bedeutung von Stereotypen als Herausforderung der Fallgestaltung (2) werden die Ergebnisse vorgestellt (3) und aus einer rechtsdidaktischen Perspektive mögliche Ansatzpunkte einer geschlechter- und diversitätssensiblen, diskriminierungskritischen Lehre diskutiert (4).